TEXTSTRECKEN: PLAUDER-ELEGIEN

Schönbrunn im Wort – ein Schlossgarten als Raum für Vermutungen und Spekulationen

min_txtnplau_artikel_geckoart01Ein Audio-Special aus dem Projekt TEXTSTRECKENNETZ WIEN ist nun im ‚Director’s Cut’ verfügbar. Im Rahmen der Geh-Gemeinschaften war auch das Geh-Duo Andreas Bolhár-Nordenkampf und Walter Kreuz unterwegs und wurde am 13.06.2015 vom Schönbrunner Schlossgarten magisch angezogen, um dieses Grünareal mit anderen Augen zu betrachten – oder besser – mit anderen Ohren zu behorchen. Im Rahmen einer zweistündigen Wanderung entstanden die Schönbrunner Plauder-Elegien mit gewagt-witzigen Vermutungen und Spekulationen.

Zu hören waren diese Aufnahmen am 04.10.2015 im Programm des Stadtradios auf Orange 94.0 (Nachhören können Sie diese HIER). Doch schon im Rahmen der Langen Nächte der Textstrecken, einem Sendungszyklus von 14. bis 21.08.2015 (ebenfalls im Orange 94.0-Stadtradio) kam ein Teil der am 13.06. entstandenen Beiträge zur Ausstrahlung. Schon damals zeigte sich das TEXTSTRECKENNETZ, wie es leibt und lebt und – spricht.

min_txtnplau_artikel_geckoart03Abseits von touristischem Interesse bewandern zwei Personen einen Garten, dessen Sinn erst Schritt für Schritt erschlossen wird. Wohl wird mitgebrachtes Wissen eingebracht, aber die vorgefundenen Gegebenheiten (Bauwerke, betreute Natur, Anordnungen von Objekten, Statuen und deren Aussehen) sind stärker und geben Anlass zu Vermutungen und Neuinterpretationen. Der Spaziergang ist kein Kniefall vor der Geschichte, kein Kreuzweg von Station zu Station, auch kein Treppensteigen im Stiegenhaus der Jahreszahlen (die man/frau meist bald vergisst). Vielmehr scheint die sprechende Bewanderung eines historischen Areals auch ‚unkorrekte’ Interpreationen zuzulassen, wobei sich aus einer Gegebenheit vor Ort eine neue Geschichte ergibt und das Gespräch über einen bestimmten Ort eine Eigendynamik erhält.

min_txtnplau_artikel_geckoart02Dies ist auch ein zentrales Anliegen im TEXTSTRECKEN-Konzept: Stadt könnte auch an den Leuten vorüberziehen, sich von ihnen weg-entwickeln. Und es kann sein, dass dann Einzelne mitunter in Sprachlosigkeit und vagem Unbehagen ‚auf der Strecke’ bleiben und bestenfalls ihrem Ärger Luft lassen – wenn sie (oder falls sie) gefragt (oder zur Wahlurne gebeten) werden. Ein Gebäude, einen Straßenzug, einen Platz, ein Denkmal in Worten festzuhalten kann (muss nicht) eine Entdeckungsreise der besonderen Art sein, die ORIGINÄRE BESCHREIBUNGEN erzeugt. Etwa kann ein Bauwerk auch ganz ohne architektonische Fachbegriffe beschrieben werden. Beschreibende Peronen, die mit Mikrofon und Aufnahmegerät unterwegs sind, entwickeln ihr ganz spezifisches ‚Sprech-Instumentarium’ und sind oft von ihren spontan kreierten Ausdrücken überrascht. Und noch etwas: Einen Ort, der mit eigenen Worten beschrieben (und dadurch definiert und erschlossen) wird, gerät – nach bisherigen Erfahrungen mit über 500 TeilnehmerInnen – nie in Vergessenheit, gleich ob man/frau da geboren wurde oder tausende Kilometer woanders. Personen, die an von ihnen selbst ‚betexteten’ Orten später einmal vorbeikommen, empfinden diese Stellen nicht selten als ‚ihre eigenen Orte’.