Ein Funkeln in den Augen
Ein einfacher Kopierladen, den es seit über 20 Jahren nicht mehr gibt, kann heute noch ein Funkeln in den Augen derer auslösen, die ihn damals besucht hatten. Dies war einem ganz besonderen Menschen zu verdanken, der damals sein von Papierstapeln und Kartons vollgefülltes Geschäftlokal im Wiener Bezirk Josefstadt zu einem Ort verwandelt hatte, wo man als Kundin und Kunde im stressreichen Alltag Ruhe fand. Mahmoud, der Kopiermann, schaffte es, das Kopieren zur Nebensache und das Gespräch zur Hauptsache zu machen. Diesem ganz besonderen Menschen widmete das gecko art-Team im Herbst 2019 eine besondere Radioarbeit mit dem Titel MAHMOUD UND DIE KUNST DES KOPIERGESPRÄCHS, welche den RADIOPREIS DER ERWACHSENENBILDUNG 2020 erhielt.
Die Preisverleihungsfeier fand am FR, 26.02.2021 im RADIOKULTURHAUS statt (Aufzeichnung des Webstreams der Feier / Präsentation der Mahmoud-Sendung ab ca. 23:40).
In einer längeren Vorrecherche gelang es, mit ehemaligen KundInnen Kontakt aufzunehmen – Personen, deren Namen das Radioteam nicht einmal kannte und versuchte, in den Gassen der Josefstadt Leute anzusprechen, an deren Gesichter man sich erinnerte und mit denen gemeinsam man vor langer Zeit einen Kaffee neben einer der ratternden Kopiermaschinen Mahmouds getrunken hatte. Wenn man im Zuge dieser „kleinen Investigationen“ diese Personen auf Mahmoud angesprochen hatte, war es wieder da, dieses Funkeln in ihren Augen. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt war es klar, dass dieses Funkeln in „Radio“ übersetzt werden und der Versuch gewagt werden müsse, in einem nichtvisuellen Medium das Phänomen Mahmoud zum Leuchten zu bringen.
Es fehlen Orte – im Bezirk, in Wien, auf der Welt …
Die große Überraschung war, dass in vielen der Aufnahmen zur Sendung ein „Mangel“ thematisiert wurde, nämlich ein „Fehlen von Orten“, an denen man in ungezwungener Weise über sich und die Welt sprechen konnte und dabei nicht gleich mit einer hippen Speisekarte und einem aufgeblasenen Kaffeesortiment konfroniert wurde. So war das Erinnern an die „Mahmoud-Zeit“ für manche auch eine wehmütige Erinnerung und eine Bewusstwerdung des Veränderungsprozesses eines Grätzls. Es schien, als hätte man damals mit dem Betreten des Kopierladens eine andere Welt betreten, wobei es nicht darum ging, irgendwelche Kultur-Offenheiten zwischen Kairoer und Wiener Lebensart zu bemühen und zu erproben, sondern letztlich um eine wohltuende Ausgewogenheit zwischen Gespräch und Stille.
Die Stimme des Kopiermanns
Für die Sendung erhebt der fast 80jährige Mahmoud nochmals seine Stimme. Wieder ist es Erlebnis und Vergrügen gleichermaßen, ihm zuzuhören. Er spricht über seine Vergangenheit, über Erlebnisse und Erfahrungen während seiner Geschäftstätigkeit, aber auch über das Leben, über Glück und Unglück, über Religion und über den Tod. Manche, die seiner Stimme – und seiner Stille – lauschen, werden vielleicht an seine Kunst des Kopiergesprächs erinnert werden.
Siehe auch Audioproduktion: Weitere Infos, Link zum Teaser (in Kürze) und Link zur Gesamtsendung